Was Sie erzählen, füge ich zu einer Geschichte zusammen. An den folgenden Beispielen können Sie sehen, wie eine Geschichte beginnen könnte. Alle Texte sind frei erfunden.
*
Ich war ein wildes Kind. Meine Mutter hatte alle Hände voll zu tun mit der Arbeit im Haus und auf dem Hof. Sie hatte wenig Zeit für mich und das war mein Glück. Wenn ich nicht helfen musste, streunte ich durch das Dorf und kletterte auf jeden Baum und jeden Stein. Ich balancierte über jeden Zaun und jedes Mäuerchen. Im Sommer plantschte ich mit den anderen Kindern im Dorfbrunnen. Da war niemand, der uns beaufsichtigte. Ich glaube, wir vermissten nichts. Am liebsten ging ich zur Autowerkstatt. Schon als vierjähriger Knirps stand ich neben dem Mechaniker unter dem Autoheber und schaute zu, wie er herumschlüsselte…
*
Ich war immer wie ein Blatt im Wind. Ich wurde in meinen Beruf hineingeweht und in die Beziehung zu meinem Mann. So ist das Leben, dachte ich. Es passiert einem einfach. Ich dachte, dass es allen so ergehe wie mir. Dass man einfach keinen Einfluss hat auf sein Schicksal. Ich habe mir das eigentlich gar nie überlegt. Ich war zufrieden. Jedenfalls nicht unzufrieden. Dann hat mein Mann mich verlassen. Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich gemerkt habe, dass er seinem Leben eine neue Richtung gegeben hat. Ganz bewusst. Das hat mich erschüttert. Eigentlich war es das erste Mal, dass mich etwas derart berührt hat. Da ist mir klar geworden, dass ich das auch kann: meinem Leben eine Richtung geben…
*
Ich bin in der Nähe von Thun aufgewachsen. Unser Haus stand neben einer stillgelegten Fabrik. Auf diesem Gelände habe ich den grössten Teil meiner Kindheit verbracht. Einmal gelang es mir, bei den Büros ein Fenster einzudrücken. Ich kletterte hinein und ging durchs Zimmer hinaus in den Gang. Da waren viele Türen, alle geschlossen. Ich folgte dem Gang bis zuhinterst. Dort führte eine Treppe in den Keller. Ohne lange zu überlegen stieg ich hinunter. Es war stockdunkel. Weiter vorne fiel Licht durch eine halboffene Tür. Ich tastete mich den Wänden entlang, stiess die Tür auf und erlebte den Schreck meines Lebens: mitten im Raum stand ein Tisch und darauf stand ein Fuchs! Er blickte mir direkt in die Augen und machte keine Bewegung. Es war ein stattliches Tier mit einem buschigen Schwanz, er war riesig. Durch eine Kellerluke fiel Licht und der Fuchs stand mitten in diesem Strahl wie eine Statue aus Bronze. Die Zeit stand still. Plötzlich jedoch spürte ich, dass mein Herz klopfte wie wild. Ich machte auf dem Absatz kehrt und rannte…
*
Mein kleiner Liebling!
Seit dein Schwesterchen auf der Welt ist, habe ich so wenig Zeit für dich! Das lässt mich manchmal fast verzweifeln. Abends beim Einschlafen können Papa und ich nur noch ab und zu deine runde, weiche Hand halten, so wie wir es in den vergangenen Jahren immer gemacht haben. Ich weiss, dass du deswegen oft traurig bist. Ich bin es auch! Und Papa auch! Manchmal muss ich weinen, wenn ich abends deine kleine Schwester herumtrage, um sie zu beruhigen. Und wieder keine Zeit für dich habe. Dabei denke ich so oft an dich. Ich weiss noch genau, wie es war, als ich dich in den Schlaf gewiegt habe, als du so klein warst wie es deine Schwester jetzt ist…
*